Inhaltsverzeichnis

Physische vs. synthetische ETFs – Vor- und Nachteile der Index Replikationsmethoden

Autor: Thomas Feldhaus · Zuletzt aktualisiert: 08.08.24

Wirtschaft Finanzen Börse/Aktien · 8 Min. Lesedauer

Physische vs. synthetische ETFs – Vor- und Nachteile der Index Replikationsmethoden - Titelbild

Anleger haben bei der Auswahl eines ETFs die Wahl zwischen der physischen und synthetischen Index Replikationsmethoden, doch wo liegen die Vor- und Nachteile bei physischen vs. synthetischen ETFs?

 

Die wichtigsten Unterschiede von physischen vs. synthetischen ETFs:

  • Hauptunterschied ist: Physische ETFs investieren direkt in Aktien und besitzen diese, während synthetische ETFs keine Aktien kaufen.
  • Vollständige physische Replikation: Kapital wir vollständig in Aktien investiert und so gewichtet, wie es im Index des ETFs angegeben ist.
  • Physisches Sampling: ETF hält nur eine Auswahl der Wertpapiere des Index, um die Kosten zu senken und die Liquidität zu erhöhen.
  • Synthetische Replikation: Kapital wird in Derivate wie Swaps (Tauschgeschäfte) investiert, um die Rendite des zugrundeliegenden Index nachzubilden - typischerweise zahlt eine Bank die Rendite.
  • Für Anleger unterscheiden sich laufende Kosten, Steuern, Risiko, Tracking Error und Investitionsmöglichkeiten.

Physische vs. synthetische ETFs in Kürze

 

Ein börsengehandelter Fonds (engl. Exchange-Traded Funds, ETF) ist ein Investmentfonds mit vielen einzelnen Positionen, meistens Aktien, investiert, die durch einen Index festgelegt werden. Als Indexnachbildung wird die Art und Weise bezeichnet, wie der zugrunde liegende Index nachgebildet wird. Ein physischer ETF kauft die Einzelpositionen tatsächlich ein, während ein synthetischer ETF die Positionen teilweise oder vollständig über Tauschgeschäfte (Swaps) und weitere Derivate ersetzt.

 

Häufige Gründe dafür sind Reduzierung der laufenden Kosten oder Investitionen in neue Märkte. So können mit Tauschgeschäften die Entwicklung von Unternehmen nachgebildet werden, die nicht an der Börse sind oder von Rohstoffen, die dann nicht mehr physisch eingekauft werden müssen.

Vollständige Replikation und Sampling von physischen ETFs

 

Wenn physische ETFs das Kapital der Anleger nur eine begrenzte Anzahl von Aktien im Index kaufen, wird das als "Sampling" oder "Teilreplikation" bezeichnet. Sampling wird meistens angewendet, um die Transaktionskosten zu reduzieren, womit sich die laufenden Kosten für Anleger reduzieren. Wenn ein Index in mehrere Tausend Einzelaktien investiert oder der Markt sehr liquide ist, müssen viele Transaktionen durchgeführt werden, die jedes Mal Kosten verursachen würden. Daher investieren physische ETFs mit Teilreplikation in eine optimale Auswahl von Wertpapieren, die den Index ausreichend repräsentieren.

 

Die großen MSCI World ETFs nutzen aufgrund der hohen Anzahl an Positionen von mehr als 1.000 sehr häufig Sampling oder eine andere Methode, um die laufenden Kosten zu reduzieren.

Wer erhält das Kapital der Anleger bei einem synthetischen ETF?

Der Großteil des Geldes fließt in das Sicherheiten-Portfolio, um die Tauschgeschäfte (Swaps) des synthetischen ETFs abzusichern. Die Sicherheiten müssen jedoch nichts mit dem zugrunde liegenden Index zu tun haben.

Swaps: Tauschgeschäfte von synthetischen ETFs erklärt

 

Die Swaps werden meistens mit einer Bank oder einem großen Institut eingegangen, z.B. Deutsche Bank oder Commerzbank. Der Tauschpartner muss die Rendite der jeweiligen Position vollständig auszahlen und erhält dafür Zinsen, die sogenannten Swap-Gebühren. Die Swap-Gebühren sind vergleichbar mit den Transaktionskosten eines physischen ETFs.

 

Die Gegenpartei erhält neben Swap-Gebühren noch die Rendite aus dem Sicherheiten-Portfolio. In Europa hat die EU das UCITS-Regelwerk beschlossen, wonach der Marktwert des Sicherheiten-Portfolios nicht unter 90 % vom tatsächlichen Nettoinventarwert fallen darf. Im europäischen Regelwerk finden sich weitere Sicherheitsmaßnehmen, die für ETFs gelten. Das Kontrahentenrisiko durch die Zahlungsfähigkeit des Tauchpartners und weitere Risiken werden weiter unten diskutiert.

Sicherheiten-Portfolio von Swaps erklärt

 

Das Sicherheiten-Portfolio (englisch: collateral) wird aus Mitteln eines synthetischen ETFs aufgebaut, der als Sicherheit für die Swap-Gegenpartei dient. Die Wertpapiere im Sicherheiten-Portfolio stimmen nicht unbedingt mit den Wertpapieren des nachgebildeten Index überein. Besonders beliebt sind aber sogenannte Blue-Chip Unternehmen im Sicherheiten-Portfolio wegen der hohen Liquidität, zuverlässiger Dividende und wenig Kursschwankungen. Weitere Assets im Sicherheiten-Portfolio sind häufig Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen.

 

So kann beispielsweise ein synthetischer ETF auf europäische Aktien (z. B. MSCI Europe) im Sicherheiten-Portfolio auch amerikanische oder asiatische Aktien enthalten. Der Swap-Partner könnte also mehr Gewinn erzielen, als durch den synthetischen ETF vertraglich ausgezahlt werden muss. Dafür hat er aber auch das Risiko, mehr auszahlen zu müssen, als er durch das Sicherheiten-Portfolio eingenommen hat.

  • Funded Swaps (Gedeckte Swaps): Die Sicherheiten werden vom Swap-Kontrahenten gesammelt und bei einem unabhängigen Treuhänder hinterlegt. Bietet zusätzliche Sicherheit für den ETF, da die Sicherheiten bei einem Dritten verwahrt werden.
  • Unfunded Swaps (Ungedeckte Swaps): Der Swap-Kontrahent hält die Sicherheiten selbst. Es gibt keinen unabhängigen Treuhänder, der die Sicherheiten verwahrt, sodass ein höheres Kontrahentenrisiko entsteht.

 

Beispiel für Sicherheiten von Swaps


Angenommen, ein ETF repliziert den MSCI World Index über einen Swap.

  • ETF Anbieter erhält die Rendite des MSCI World Index von 4 % von der Gegenpartei.
  • ETF Anbieter gibt die Rendite des Sicherheiten-Portfolios von 5 % an die Gegenpartei.

Damit macht die Gegenpartei einen Gewinn von 1 %. Würde das Sicherheiten-Portfolio nur 3 % Rendite einbringen, müsste die Gegenpartei den Unterschied ausgleichen und macht einen Verlust von 1 %.

Vor- und Nachteile: Physische vs. synthetische ETFs

 

Früher hatten synthetische ETFs einen Steuervorteil gegenüber physischen ETFs. Dies wurde jedoch mit der Investmentsteuerreform im Jahr 2018 verworfen und alle ETFs werden gleich behandelt. Es gilt für synthetische und physische ETFs eine Teilfreistellung von 30 % der Erträge bei Aktien-ETFs. Weitere Vor- und Nachteile bei physischen vs. synthetischen ETFs sind:

 

Eigenschaft Synthetische ETFs Physische ETFs
Replikation Tauschgeschäft (Swaps) Vollreplikation oder Teilreplikation durch Sampling
Vorteile
  • Oft niedrigere laufende Kosten
  • Kleiner Tracking Error
  • Ermöglicht Nachbildung schwer zugänglicher Märkte
  • Direkte Investition in die Indexkomponenten
  • Einfach nachvollziehbare Rendite
  • Kein Kontrahentenrisiko (außer bei Wertpapierleihe)
Nachteile
  • Schwierig nachvollziehbar, wo das Kapital wirklich ist
  • Kontrahentenrisiko
  • Oft höhere laufende Kosten

 

 

Rendite: Physische vs. synthetische ETFs

 

Um den Einfluss der Replikationsmethode und laufenden Kosten zu vergleichen, sind nachfolgend ETFs auf den gleichen MSCI World Index mit den verschiedenen Replikationsmethoden aufgelistet. Die Unterschiede in der Rendite sind nur sehr gering und oftmals auch von der Tagesform abhängig. Während es auf tradingview nicht mehr als 1 % Unterschied nach 5 Jahren ist, sind es auf justETF bis zu 6 % nach 5 Jahren. Die folgenden ETFs werden in der nachfolgenden Grafik verglichen:

 

Name

Symbol

Ticker

WKN TER Replikationsmethode
Amundi MSCI World V UCITS ETF Acc LCWD LYX0YD 0,12 % p.a. Vollständig
Invesco MSCI World UCITS ETF Acc SC0J A0RGCS 0,19 % p.a. Swap-basiert
iShares Core MSCI World UCITS ETF USD (Acc) SWDA A0RPWH 0,20 % p.a. Sampling
Vergleich verschiedener ETFs, die nach dem gleichen MSCI World Index investieren, aber unterschiedliche Replikationsmethoden nutzen.
Vergleich verschiedener ETFs, die nach dem gleichen MSCI World Index investieren, aber unterschiedliche Replikationsmethoden nutzen.

UCITS-Regelwerk

 

Bei vielen ETF-Produkten findet sich im Titel oder der Beschreibung der Ausdruck UCITS - Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities (auf Deutsch: Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)). Das UCITS-Regelwerk wird von den europäischen Behörden vorgegeben, um einen einheitlichen Standard für die Indexfonds Produkte zu haben. Diesen Sicherheitsstandards folgen mittlerweile über 75 % aller ETFs.

 

Die wichtigsten Punkte des UCITS-Regelwerks:

  1. Mindestdiversifikation soll Risiken mindern, indem Einzelaktien in einem ETF maximal 20 % einnehmen dürfen (35 % unter besonderen Marktbedingungen)
  2. Kein Emittentenrisiko – eine unabhängige Depotbank verwaltet die ETFs
  3. Liquiditätsgarantie – Es muss ausreichend Kapital vorhanden sein, um Anlegern ihre Einlagen auszuzahlen, auch wenn der Handel an der Börse in Schwierigkeiten gerät. 
  4. Swap Reset – Wenn der Wert des Sicherheits-Portfolios unter dem Wert des Index sinkt, muss der ETF-Anbieter die Differenz täglich zu 100 % mit Staatsanleihen oder Bargeld absichern.
  5. Keine Laufzeitbeschränkung – Anleger dürfen jederzeit ihre Einlagen aus dem ETF nehmen und wieder einzahlen. Zusätzlich gibt es kein Enddatum für einen ETF.
  6. 10 % - Höchstens 10 % des Fondsvermögens darf in Swaps vorhanden sein oder anders formuliert, das Sicherheiten-Portfolio (engl. collateral) darf nicht unter 90 % fallen.
  7. Transparenz – Die Zusammensetzung der Sicherheiten kann beim ETF-Anbieter eingesehen werden

 

Das Kontrahentenrisiko kann also selbst durch das UCITS-Regelwerk nicht vollständig eliminiert werden. Der Zusammenbruch der Credit Suisse hat gezeigt, dass selbst riesige Banken zahlungsunfähig werden können. Ein extremes, aber simples Beispiel. Das Sicherheiten-Portfolio ist vollständig in Japan investiert und der abgebildete Index ist in die USA investiert. Aufgrund einer neuen Krise mit China bricht der japanische Markt zusammen, während die amerikanischen Aktien im abgebildeten Index steigen.

Investition in physischen vs. synthetischen ETFs

 

BlackRock ist mit den iShares Produkten der größte Anbieter auf der Welt für ETFs (fast 44 % Marktanteil). Das Geschäft mit synthetischen ETFs gibt es bei BlackRock bisher nicht und soll es auch nicht geben - „was man hat, das hat man“ ist das Motto des Investmentgiganten bei der Indexreplikation. Die Haltedauer von ETFs spielt eine wichtige Rolle, da langfristige Investitionen steuerliche Vorteile und den Zinseszinseffekt nutzen. Die monatliche Investitionssumme sollte individuell festgelegt werden.

 

Synthetische ETFs ermöglichen Investitionen in schwer zugängliche Märkte und spezialisierte Bereiche wie Seltene Erden zu investieren, was zur Diversifizierung beitragen kann. Der Hauptunterschied zwischen Indexfonds und ETFs liegt in der Flexibilität des Börsenhandels. Rohstoff-ETFs ermöglichen den Zugang zu Märkten wie Gold oder Öl, sind aber volatiler. Insgesamt sollte die Wahl zwischen physischen und synthetischen ETFs auf den individuellen Anlagezielen und der Risikobereitschaft. Ein diversifiziertes Portfolio mit regelmäßigen Investitionen kann helfen, finanzielle Ziele zu erreichen und Risiken zu minimieren.
 

Oftmals ist es eine gute Idee, zu überprüfen, wo andere Investoren Ihr Kapital anlegen. Eine Analyse von Vanguard gibt ebenfalls Aufschluss über die Verteilung von physischen vs. synthetischen ETFs an. Die Analyse gibt den Marktanteil für verschiedene Märkte an, z.B. USA und Europa, zusammen mit weiteren Details zu physischen vs. synthetischen ETFs.

 

 


Thomas Feldhaus

Thomas Feldhaus

Chefredakteur

Wirtschaftsjournalist mit Faible für Unternehmensverantwortung und Leidenschaft für Radsport.

GENIESSEN SIE EXKLUSIVE VORTEILE

SQUAREVEST Newsletter Finanzen und Immobilien

  • regelmäßige Infos zu Finanz- und Immobilienthemen
  • Informationen zu neuen Anlagen auf der Informationsplattform
  • Informationen zu neuen Unternehmen
  • und vieles mehr
NEWSLETTER ANMELDEN

Kommentieren

Ihre E-Mail wird nicht veröffentlicht

Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentar abschicken

Kommentare


Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren