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Vertragshilfe24 – BaFin: „Kein angemessener Kundennutzen“ bei Kapital-Lebensversicherungen und Fondspolicen

Autor: Thomas Breithaupt · Zuletzt aktualisiert: 24.09.24

Versicherungen · 9 Min. Lesedauer

Vertragshilfe24 – BaFin: „Kein angemessener Kundennutzen“ bei Kapital-Lebensversicherungen und Fondspolicen - Titelbild

„Kein angemessener Kundennutzen.“ Und zu teuer.

 

Diese knallharte Rüge an kapitalbildenden Lebensversicherungen und fondsgebundenen Rentenversicherungen, die die neue BaFin-Exekutivdirektorin Julia Wiens (54) aus Hamburg den versammelten Vorstandsbossen deutscher Lebensversicherungskonzerne auf dem Handelsblatt Strategiemeeting Lebensversicherung am 27. August 2024 in Düsseldorf um die Ohren warf, kam selbst für Vertragshilfe24 überraschend. 

 

Das Verbraucherportal bietet umfassende Informationen zum Thema Lebens- und Rentenversicherungen. Hier können Kundinnen und Kunden sich zudem über die Vertragsentwicklung informieren, die in vielen Fällen höhere Auszahlungen ermöglicht, als die Versicherungen in Aussicht gestellt haben, wie SQUAREVEST.AG berichtete

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Produktfreigabe: Etliche Kapital-Lebensversicherungen genügen nicht den BaFin-Vorgaben.
  • Hohe Effektivkosten schmälern Rendite um bis zu 4 Prozent jährlich.
  • Hohe Stornoquote von bis zu 70 Prozent entsteht, weil Produkte mit fehlendem Kundennutzen vertrieben werden.
  • Fonds-Kickbacks an Vertriebe gehen einseitig zu Kundenlasten.
  • BaFin-Konsequenzen helfen kaum den Bestandskunden.
  • Abwicklung: Versicherungsnehmer können sich auf dem Portal Vertragshilfe24 informieren.
  • Vermögensaufbau: SQUAREVEST.AG fand etliche Alternativen. 

BaFin-Exekutivdirektorin Wiens kritisiert Versicherer

 

Der Hamburger Versicherungsexperte von Vertragshilfe24 Sven Enger (59) sagte zur BaFin-Rüge im Money Talk der Berliner Finanzjournalistin Carola Ferstl (56) am 7. September 2024 auf YouTube: „Das ist zugegebenermaßen überraschend… Die BaFin ist eigentlich dafür bekannt, dass sie das hinter verschlossenen Türen mit den Versicherungsgesellschaften direkt regelt und damit nicht in die Öffentlichkeit geht. Aber in diesem Fall ist sie in die Öffentlichkeit gegangen.“

Julia Wiens (54) aus Hamburg, BaFin-Exekutivdirektorin Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht © Pressedownload BaFin/Matthias Sandmann
Julia Wiens (54) aus Hamburg, BaFin-Exekutivdirektorin Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht © Pressedownload BaFin/Matthias Sandmann

Julia Wiens: Würden Sie solche Produkte guten Freunden empfehlen?

 

Julia Wiens, die seit Januar 2024 die Aufsicht über Versicherungen und Pensionsfonds leitet, fragte die Bosse direkt vom Rednerpult: „Mal Hand aufs Herz: Welche Rendite erzielen die Fonds in Ihren Produkten? Oder anders gefragt: Würden Sie solche Produkte guten Freunden empfehlen?“

 

Dann zog sie vom Leder: „Nochmal zur Erinnerung: Sie haben zu prüfen, ob ihre Produkte einen angemessenen Kundennutzen schaffen. Hier müssen mehrere Unternehmen dringend nachbessern.“

Julia Wiens kommt aus den Reihen der Versicherungsvorstände

 

Fehlende Sachkompetenz können die Versicherungsvorstände der neuen BaFin-Exekutivdirektorin Julia Wiens nicht unterstellen. Sie kommt schließlich aus Ihren eigenen Reihen

 

Julia Wiens bringt fast 30 Jahre Erfahrung im Versicherungsbereich mit. Die studierte Mathematikerin und ausgebildete Aktuarin begann ihre Karriere 1994 bei der Securitas Gilde in der Lebensversicherung. 2006 wechselte sie zum Deutschen Ring als Abteilungsleiterin für aktuarielle Analysen Nichtleben. Von 2009 bis Ende 2023 besetzte sie verschiedene Führungsrollen bei Baloise (ehemals Basler Versicherungen) Deutschland in Hamburg, zum Beispiel Leiterin Aktuariat Nichtleben und Industriekundenservice sowie Leiterin Risikosteuerung. Zuletzt war sie verantwortlich für die beiden Vorstandsressorts Lebensversicherung und Finanzen/Kapitalanlagen.

 

Die BaFin deckte folgende 4 Missstände auf:

Julia Wiens BaFin-Exekutivdirektorin

Wenn einzelnen Kostenpositionen kein Kundennutzen gegenübersteht, dann betrachten wir das als Missstand.

BaFin-Exekutivdirektorin

Julia Wiens

Produkte unterhalb der Produktfreigabe-Vorgaben

 

1. Missstand: Kapital-Lebensversicherungen genügen nicht den BaFin-Vorgaben. Julia Wiens: „Im vergangenen Jahr haben wir in unserem Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten kapitalbildender Lebensversicherungsprodukte klar dargelegt, was wir von den Unternehmen erwarten.“ 

 

Julia Wiens weiter: „Aber was haben wir eigentlich vorgefunden? Die Probleme beginnen bei formalen Mängeln. Wir hatten schon 2018 – also vor sechs Jahren – darauf hingewiesen, dass Versicherer interne Leitlinien erstellen müssen, die die Anforderungen an das Produktfreigabeverfahren definieren. Und diese Leitlinien müssen auch operativ umgesetzt werden: Ein Produktfreigabeverfahren ist für jedes neue Versicherungsprodukt durchzuführen. Und für jede wesentliche Änderung eines bestehenden Produkts. Jetzt hat sich herausgestellt: Manche Unternehmen beachten unsere Hinweise überhaupt nicht.“

 

Julia Wiens ergänzte: „Neben solchen formalen Defiziten wurde zudem deutlich: Manche der geprüften Lebensversicherer genügen als Produkthersteller bei Weitem nicht den Vorgaben unseres Merkblatts aus dem vergangenen Jahr.“

Hohe Effektivkosten schmälern Rendite um bis zu 4 Prozent jährlich

 

2. Missstand: Bis zu 4 Prozent Effektivkosten. Julia Wiens: Im vergangenen Jahr haben wir […] Aspekte der Produkte analysiert. Zum Beispiel die Effektivkosten, die Abschlussprovisionen und die Zahl der Stornos durch Kundinnen und Kunden."

 

Mehr als 70 Prozent der Kunden kündigen vorzeitig. „Ausgehend von einer Stornoquote von 3,14 Prozent“ pro Jahr, so schlüsselte die BaFin 2023 bei ihrer Sonderprüfung von 13 Kapital-Lebensversicherungs-Unternehmen (das entspricht 20 Prozent des Marktes) auf, „haben sich nach einer Ansparphase von 40 Jahren bereits mehr als 70 Prozent der Kundinnen und Kunden für eine vorzeitige Vertragsbeendigung entschieden.“ Im Klartext: Über zwei Drittel aller Kunden der 13 geprüften Unternehmen halten solche Verträge überhaupt nicht durch, sondern kündigen sie vorzeitig.“

Was sind Effektivkosten?

Effektivkosten geben an, wie stark die jährliche Rendite durch die Kosten gemindert wird.

Julia Wiens weiter: „Was wir da bislang herausgefunden haben, gefällt uns überhaupt nicht […] Zum Beispiel, wenn die Effektivkosten viel zu hoch sind, was bei einigen Produkten der Fall ist. 

 

Das für den Zielmarkt eines Produkts formulierte Renditeziel wird ja erst erreicht, wenn diese Kosten mitverdient worden sind. Bei den Produkten mehrerer Unternehmen betrugen die Effektivkosten zu dem Zeitpunkt, zu dem die Hälfte der Kundinnen beziehungsweise Kunden ihre Verträge vorzeitig gekündigt hatte, vier Prozent oder mehr. Solch hohe Effektivkosten bedeuten doch nichts anderes, als dass ein Produkt diese Kosten zunächst einmal verdienen muss, insbesondere durch die korrespondierenden Kapitalanlagen. Erst dann haben die Kundinnen und Kunden überhaupt etwas davon."

 

Die Effektivkosten von 4 Prozent bedeuten nämlich: Wenn ein Versicherer mit seiner Kapitalanlage beispielsweise 5 Prozent (nach Abzug seiner eigenen Kosten) erzielt, dann bleibt davon bei 4 Prozent Effektivkosten für den Kunden nur ein Prozent Verzinsung übrig. Mit solchen Kostenquoten bleibt selbst vom Ertrag guter Aktienfonds, die im Schnitt 6 bis 7 Prozent Rendite abwerfen, kaum noch ein nennenswerter Ertrag.

 

Hohe Kosten halbieren Renditen bei Fondspolicen

 

Capital.de rechnete am 28. August 2024 vor: „Angenommen, es flössen 30 Jahre lang die kompletten eingezahlten 100 Euro monatlich in einen Fonds, der 6 Prozent Rendite abwirft. Dann kämen für den Kunden knapp 98.000 Euro dabei heraus […]

 

Beträgt die Kostenquote allerdings 4 Prozent, bleiben gerade einmal 49.200 Euro davon für den Versicherungskunden. Bei 36.000 Euro eigener Einzahlung. Das ist nur etwa die Hälfte dessen, was er ohne Versicherung durchs Fondssparen auf eigene Faust erzielt hätte. Mit derart schlechten Ablaufleistungen sind bereits viele Fondspolicenkunden konfrontiert worden. Kein Wunder also, dass angesichts solcher Zahlen so viele Kunden ihre Verträge lieber stornieren.“

Frühstornos wegen Produkten mit fehlendem Kundennutzen

 

3. Missstand: Hohe Stornoquote wegen falscher Vertriebssteuerung. Im Juli 2024 wurde bekannt, dass die zu Talanx gehörende Targo Lebensversicherung drei Lebensversicherungsangebote vom Markt genommen hat. Hintergrund waren zu hohe Kündigungsquoten, die der BaFin aufgefallen waren, berichtete die Süddeutsche Zeitung am 27. August 2024.

 

Julia Wiens: „Wir beschäftigen uns aktuell mit dem Kundennutzen von kapitalbildenden Lebensversicherungen. Vor allem mit fondsgebundenen Rentenversicherungen. Diese Produkte machen ja mittlerweile einen großen Teil des Neugeschäfts vieler Versicherer aus.“

 

Julia Wiens weiter: „Bei einigen Produkten haben wir zudem sehr hohe Stornoquoten gesehen. Vor allem in den ersten Jahren nach Vertragsabschluss. Also gerade dann, wenn ein großer Teil der Kosten anfällt. Die Effektivkosten sind dann auch entsprechend hoch. Ein angemessener Kundennutzen dürfte für ein solches Produkt nicht gegeben sein. Ein hohes Frühstorno kann ein Hinweis sein: Hier könnten Produkte außerhalb des für sie bestimmten Zielmarkts vertrieben worden sein. In solchen Fällen erwarten wir, dass Versicherer analysieren: Warum kommt es zu hohen Stornoquoten? Und wir erwarten, dass sie hohe Stornoquoten aktiv managen, indem sie beispielsweise ihre Vertriebssteuerung anpassen, wenn das erforderlich ist.“

 

Branche: Abschläge für Kündigung schützen die Gemeinschaft

 

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) wies laut dpa darauf hin, dass Versicherungen im Kollektiv funktionierten. „Abschläge für frühe Kündigung bewahren das Versichertenkollektiv davor, die Rechnung dafür zu zahlen“, sagte Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Die deutschen Lebensversicherer beteiligten die Versicherten angemessen an den Überschüssen. „Im Mittel erfolgt eine Beteiligung von 95 Prozent an den Kapitalerträgen, Risiko- und Kostenüberschüssen“, stellte Asmussen fest.

Fonds-Kickbacks an Vertriebe gehen einseitig zu Kundenlasten

 

4. Missstand Fonds-Rückvergütungen an Vertriebe zu Lasten von Kunden. Julia Wiens: „Bei einigen fondsgebundenen Produkten erscheinen uns die Rückvergütungen, die Fondsgesellschaften an die Vertriebspartner von Lebensversicherungsunternehmen zahlen, mehr als fragwürdig. Diese Rückvergütungen sind ein Zubrot – finanziert von den Kundinnen und Kunden.

 

Denn Lebensversicherer vergüten ihre Vertriebspartner in der Regel ja ohnehin. Und auch diese Kosten tragen die Kundinnen und Kunden. Wenn also den zusätzlichen Rückvergütungen durch die Fondsgesellschaften kein Mehrwert gegenübersteht, dann heißt das ganz einfach: Den zusätzlichen Kosten steht kein angemessener Kundennutzen gegenüber.

 

Ich möchte es klar sagen: Solche Praktiken, die einseitig zu Lasten der Kundinnen und Kunden gehen, sind nicht akzeptabel. Wenn ein angemessener Kundennutzen fehlt, wenn ein Produkt also nicht den Bedürfnissen des Zielmarkts entspricht, dann ist das ein Missstand, wie er im Buche steht. Genauer gesagt im Versicherungsaufsichtsgesetz.“

Seit 10 Jahren führt Andreas Pohl (60) aus Marburg in Hessen als Vorstandsvorsitzender den Allfinanz-Strukturvertrieb Deutsche Vermögensberatung Aktiengesellschaft DVAG aus Frankfurt am Main – ein Ausschließlichkeitsvertrieb für den italienischen Versicherer Generali und die Deutsche Bank mit deren Tochter DWS-Gruppe © Pressedownload-Foto DVAG
Seit 10 Jahren führt Andreas Pohl (60) aus Marburg in Hessen als Vorstandsvorsitzender den Allfinanz-Strukturvertrieb Deutsche Vermögensberatung Aktiengesellschaft DVAG aus Frankfurt am Main – ein Ausschließlichkeitsvertrieb für den italienischen Versicherer Generali und die Deutsche Bank mit deren Tochter DWS-Gruppe © Pressedownload-Foto DVAG

Beispiel Vertrieb DVAG - Heimliche Kickbacks zum Nachteil der Kunden?

 

Zum Nachteil der Kunden und ohne die Kunden darüber zu informieren, soll die Deutsche Vermögensberatung Aktiengesellschaft DVAG aus Frankfurt am Main beim Verkauf fondsgebundener Lebensversicherungen neben der üblichen Provision vom Versicherer Generali zusätzlich auch Geld von den Fondsgesellschaften (DWS) kassiert haben, bei denen das Geld der Kunden angelegt ist, wie Ende 2021 öffentlich bekannt wurde. Die Kunden müssen dieses zusätzliche Geld am Ende mit ihren Beiträgen bezahlen. Geld, das dann im Fondstopf der Kunden fehlt.

Der Finanzvertrieb beziehe „nur gesetzeskonforme Vergütungen“, entgegnete die DVAG.

 

Üblich ist jedoch, dass die Kickbacks von Fonds nicht an den Finanzvertrieb, sondern an den Versicherer gezahlt werden und dass die Kunden dann an diesen Gewinnen ihrer fondsgebundenen Kapitallebensversicherung beteiligt werden.

 

Aber nicht einmal das hat die italienische Generali Lebensversicherung Aktiengesellschaft mit Sitz in München, deren Fondspolicen mit einem deutschen Marktanteil von 10 Prozent über die DVAG verkauft wurden, getan. Generali Leben hat 89,9 Prozent ihrer Bestände (zirka 45 Milliarden Euro an Kapitalanlagen im April 2019) an die Bestandsabwicklerin Proxalto (ehemals Volksfürsorge) aus München verkauft, die zur Viridium Holding AG aus Neu-Isenburg in Hessen gehört. Die neue Run-Off-Firma Proxalto Lebensversicherung AG, wie die Generali Lebensversicherung AG nun heißt, fällt allerdings durch eine sehr geringe Überschussbeteiligung auf. 2022 und 2023 mit jeweils 1,25 Prozent und 2024 mit 2,35 Prozent. Zum Vergleich: Die IDEAL Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit aus Berlin Kreuzberg zahlte und zahlt in denselben Jahren konstant 3 Prozent Überschussbeteiligung.

 

BaFin zwingt Proxalto zu Rückvergütungen, ältere Verträge ausgeschlossen

 

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin zwang die Proxalto Lebensversicherung AG schließlich Anfang 2024, wenigstens einen Teil der Kickoffs (Fondsrückvergütungen an die Versicherer) als Überschussbeteiligung in Höhe von 0,7 Prozent jährlich den Fondspolicen ab 2021 gutzuschreiben. Fondspolicen-Inhaber davor haben Pech. Für die Jahre davor gibt es keine rückwirkende Gutschrift.

 

DVAG-Mitgesellschafter und Vorstandschef Andreas Pohl (60) aus Marburg schrieb im 2023 veröffentlichten 2021er Konzernabschluss: „Unsere schon seit vielen Jahren exzellenten und über dem Marktdurchschnitt liegenden Ergebnisse in diesem Segment sind aber auch ein Beleg dafür, dass wir mit unserer Fokussierung auf die fondsgebundenen Produkte von Anfang an die richtige Antwort auf das Niedrigzinsumfeld hatten und haben.“

BaFin fordert von LV-Vorständen: „Sorgen Sie für einen angemessenen Kundennutzen.“

 

Am Ende ihrer Rede auf dem Düsseldorfer Strategiemeeting Lebensversicherung am 27. August 2024 forderte Julia Wiens die Versicherungsvorstände auf: „Sorgen Sie für einen angemessenen Kundennutzen.“

 

Doch können die Versicherer überhaupt für einen angemessenen Kundennutzen sorgen?

 

Ex-Versicherungsvorstand Sven Enger zweifelt: „Leider bin ich in der Branche auf taube Ohren gestoßen“

Sven Enger (59) aus Hamburg wechselte vom Versicherungsvorstand zum Verbraucherportal Vertragshilfe24 © Vertragshilfe24
Sven Enger (59) aus Hamburg wechselte vom Versicherungsvorstand zum Verbraucherportal Vertragshilfe24 © Vertragshilfe24

Sven Enger von Vertragshilfe24 war früher selbst Vorstand der Skandia Lebensversicherung AG in Berlin und Geschäftsführer des schottischen Lebensversicherers Standard Life in Edinburgh.

 

Im Interview mit Business-Leaders.net verriet er im Februar 2024, warum er die Seiten gewechselt hat: „Viele Jahre habe ich versucht, innerhalb des Systems der Lebensversicherungen Verbesserungen durchzusetzen, die den Kundinnen und Kunden einen größeren Nutzen gebracht hätten. Leider bin ich jedoch in der Branche auf taube Ohren gestoßen. Aus meiner Sicht braucht es eine breite Bewegung, die es den Menschen ermöglicht, ihre finanzielle Absicherung wieder in die eigenen Hände zu nehmen. Die Vertragshilfe24.de ist für dieses Ziel die optimale Plattform.“

Solidargedanken mit Renditeversprechen verwässert

 

Business-Leaders.net hakte nach: „Kann die Versicherungsbranche dem sinnvoll begegnen?“

 

Sven Enger antwortete: „Die Branche ist zumindest herausgefordert, eine höhere Rendite zu erwirtschaften, um allen Ansprüchen gerecht werden zu können. Man hat den Versicherten leider nur nie gesagt, wie schwierig es ist, angemessene Renditen überhaupt zu erzielen. Das liegt zum einen daran, dass die Unternehmen hohe Kosten verursachen, die von den Beiträgen finanziert werden. Und zum anderen müssen sich die Versicherungen an Vorgaben halten, in welche Anlagen sie überhaupt investieren. Meist sind das risikoarme Finanzprodukte, wie etwa Staatsanleihen mit niedriger Verzinsung. 

 

Man hat also den Solidargedanken mit einem Renditeversprechen verknüpft und somit nicht nur die ursprüngliche Idee der Lebensversicherung verwässert, sondern auf eine Lösung gesetzt, die sich gar nicht realisieren lassen kann.“

BaFin drohte mit Konsequenzen

 

Die BaFin-Exekutivdirektorin Julia Wiens drohte den Versicherungsbossen mit Konsequenzen: „Solche Missstände wollen wir beseitigen. Natürlich schauen wir uns dazu jeden Fall genau an. Wir haben verschiedene Möglichkeiten, einzugreifen: Wir können beispielsweise den Vertrieb von Produkten oder den Vertrieb über bestimmte Vertriebsgesellschaften untersagen. Wir können aber auch Maßnahmen gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern verhängen, wenn deren fachliche Eignung angesichts von Missständen in Frage steht.

 

Wir erwarten im Übrigen auch von den Unternehmen, dass sie prüfen, wie sie mit bereits abgeschlossenen und mit bereits stornierten Versicherungsverträgen umgehen werden. Hier sehen wir übrigens ebenso die Aktionärinnen und Aktionäre der Lebensversicherer in der Pflicht. Denn sie haben in der Vergangenheit ja auch vom Vertrieb der Produkte mit fehlendem Kundennutzen profitiert.“

Sven Enger (59) aus Hamburg, Versicherungsexperte bei Vertragshilfe24, und Finanzjournalistin Carola Ferstl (56) mit ihrem YouTube-Kanal Money Talk aus Berlin © auxinum GmbH, Berlin und Vertragshilfe24
Sven Enger (59) aus Hamburg, Versicherungsexperte bei Vertragshilfe24, und Finanzjournalistin Carola Ferstl (56) mit ihrem YouTube-Kanal Money Talk aus Berlin © auxinum GmbH, Berlin und Vertragshilfe24

Moderatorin Carola Ferstl fragte Sven Enger in ihrem Money Talk aus Berlin am 7. September 2024: „Die BaFin hat angekündigt, dass sie Maßnahmen gegen die Versicherung ergreift, falls sie sich nicht um einen größeren Kundennutzen bemüht. Sollte das die Versicherten jetzt erst einmal beruhigen?

 

Sven Enger, Vertragshilfe24: „Den Versicherten selbst, also wenn ich ein Bestandskunde bin, nutzt das nicht wirklich was. Was die BaFin in ihrer Rede da angekündigt hat, ist in erster Linie, dass sie ein Produkt vom Markt nimmt. Dann gibt es keine Neuabschlüsse mehr. Das heißt aber im Umkehrschluss: Sie beantwortet nicht die Frage, wie denn damit umgegangen wird, wenn ich bereits Kunde bin, also in einem Bestand bin. Dann kann mir das Produkt ja nicht einfach weggenommen werden. Sie hat gesagt, sie nimmt die Zulassung vom Markt, dass das Produkt vertrieben werden darf über Vertriebskanäle. Auch das zielt in erster Linie aufs Neugeschäft ab. Auch das hilft mir nicht wirklich als Bestandskunde.

 

Und sie ist dann noch dahergegangen, und das finde ich dann wiederum spannend, und sie hat sehr deutlich positioniert, dass sie aufgrund der mangelnden Fachkenntnisse einiger Vorstände deren Zulassung entziehen kann. Und ich glaube, da ist ein gewisses Maß an Schärfe. Nicht unmittelbar für den Kunden. Aber dennoch: Es ist natürlich Aufgabe eines Vorstands, genau zu wissen, welche Produkte da in den Markt kommen, wie diese positioniert sind, und zu verstehen, was ich da aktuariell als Vorstand in den Markt bringe und den Kunden anbiete.“

Was bedeutet aktuariell?

Aktuariell bedeutet eine unternehmensindividuelle Prognose einer Renditeuntergrenze der Kapitalanlagen eines Versicherungsunternehmens auf der Grundlage zukunftsorientierter Parameter.

Sven Enger, Vertragshilfe24 rät: Verantwortung für seine Geldanlage selbst übernehmen

 

Money Talkerin Carola Ferstl fragte Sven Enger: „Was empfiehlst Du denn allen, die Lebensversicherungen, eine oder mehrere, haben?“

 

Sven Enger von Vertragshilfe24 rät: „Ich sollte mich in jedem Fall umfassend informieren. Zum einen habe ich die Möglichkeit, das so zu tun. Ich kriege jedes Jahr von der Versicherung eine sogenannte Gewinnstandmitteilung. Die kann ich ablesen. Auf der einen Seite steht: Wenn Sie weiterhin so einzahlen und bei einem prognostizierten Zinssatz, erhalten Sie soundso viel. Und es gibt eine sogenannte Nulllinie. Und wenn ich das eine gegen das andere abziehe, dann habe ich ein gutes Gefühl dafür, welche Kosten mein Produkt verursacht. Das ist die eine Möglichkeit.

 

Und die zweite Möglichkeit ist, und da weise ich noch einmal darauf hin: Wir haben eine Aufklärungsplattform ins Leben gerufen, Vertragshilfe24, um auf diese Seite im Internet zu gehen und wirklich nachzulesen, welche Möglichkeiten bestehen. Was kann ich tun? Wie kann ich mich informieren? Was sind die Möglichkeiten, damit ich das Thema Altersvorsorge und damit Verhinderung der Altersarmut proaktiv angehen kann? Und das ist eigentlich mein Wunsch und meine Bitte immer wieder, dass der Kunde Verantwortung für sich selbst übernimmt und für seine Geldanlage und nicht darauf vertraut, dass jemand anderes das schon für ihn regelt.“

Sven Enger warnt Lebensversicherungskunden: Handeln vor der Krise

 

SQUAREVEST.AG fragte Sven Enger: Welche Fragen sollten sich die Versicherungskunden stellen?

 

Sven Enger, Vertragshilfe24: „Zunächst einmal sollte man sich unbedingt verdeutlichen, was die Situation der Anbieter für einen persönlich bedeuten kann. Wir steuern auf ein enormes Missverhältnis zu. Auf der einen Seite steht eine wachsende Gruppe von Menschen, die einen Anspruch auf Auszahlungen hat, und auf der anderen Seite gibt es immer weniger neue Kunden, die in Lebensversicherungen investieren wollen.

 

Es gibt einen Zeitpunkt, an dem die Versicherungen das nicht mehr durch erwirtschaftete Renditen ausgleichen können. Wir sehen ja bereits heute, dass es in der Branche ein Bewusstsein für diese Perspektive gibt. Nicht umsonst verkaufen viele Lebensversicherer ihre Bestände an Run-Off-Gesellschaften.

 

Als Versicherungsnehmer würde ich mich daher fragen: 

  • Habe ich das Vertrauen, dass ich überhaupt noch nennenswerte Auszahlungen erhalten werde? 
  • Wird mein Vertrag in einigen Jahren überhaupt noch von meinem Anbieter verwaltet? 
  • Wer kann mir Sicherheit garantieren?

Wer bei diesen Fragen bereits ein ungutes Bauchgefühl hat, dem empfehle ich, prüfen zu lassen, ob eine Abwicklung des Vertrages möglich ist. Mit dieser Abwicklung erhalte ich als Kunde die Chance, möglichst viele Ansprüche gegenüber meiner Versicherung geltend zu machen, bevor der große Krisenfall eintritt.“

 

SQUAREVEST.AG: Herr Enger, wir danken für Ihre Einschätzung und Informationen.

 

Eine kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzung, ob die Abwicklung des eigenen Vertrages grundsätzlich möglich ist, können Interessierte auf der Webseite der Vertragshilfe24 erhalten.

Alternativen zu Kapitallebensversicherungen

 

Gibt es sinnvolle Alternativen zur Kapitallebensversicherung?

 

Lebensversicherungen sind nach Recherchen von SQUAREVEST.AG nur für die Absicherung des eigenen Ablebens geeignet, nicht zur Kapitalbildung. Es gibt aber noch andere Investitionsmöglichkeiten, um zum Beispiel die Versorgungslücke im Renteneintrittsalter zu schließen, wie SQUAREVEST.AG herausfand:

 

 

Einen Vergleich zwischen Risikoversicherungen, Kapitallebensversicherungen und fondsgebundenen Lebensversicherungen und ihrer aktuellen Sinnhaftigkeit finden Sie auf SQUAREVEST.AG unter diesem Link: Wie sinnvoll ist eine Lebensversicherung?

 

(In Zusammenarbeit mit Autor Frank Maiwald)


Thomas Breithaupt

Thomas Breithaupt

Redakteur

Mit einer Leidenschaft für Technik- und Finanzthemen war der Schritt vom Physikstudium zum Wirtschaftsjournalismus vorprogrammiert. Das analytische Denkvermögen hilft, sachlich zu berichten und neben der Entwicklung von Software eine fundierte Berichterstattung zu erstellen. Zwischen den Recherchen hilft Sport dabei, einen klaren Kopf zu bewahren und hält fit für den Surfurlaub.

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