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Marcel Burgstaller im Interview - Der Strohmann

Autor: Thomas Feldhaus · Zuletzt aktualisiert: 20.06.23

Wirtschaft Immobilien Nachhaltigkeit · 8 Min. Lesedauer

Marcel Burgstaller im Interview - Der Strohmann  - Titelbild

Marcel Burgstaller hat eine Mission. Er ist der Strohmann der Bauwende. Stroh wird in Zukunft im Bauwesen und vor allem beim Innenausbau und der Sanierung von Gebäuden eine wichtige Rolle spielen, ist Burgstaller überzeugt. Deshalb hat er mit istraw ein junges, innovatives Unternehmen gegründet, das genau die Produkte entwickelt und anbietet, die es dafür braucht. Im Interview mit SQUAREVEST erläutert er, warum Stroh dabei helfen kann, die Klimaziele im Immobiliensektor zu erreichen, was die EU damit zu tun hat und warum auch der Transport einen wichtigen Beitrag leistet.

 

SQ: Warum Stroh? Was macht dieses Material für den Haus- und Wohnungsbau so besonders?

 

Marcel Burgstaller: Stroh ist eines der ältesten Baumaterialien der Welt. Ich bin davon überzeugt, dass wir schon bevor wir Bäume fällten und verarbeiteten oder Lehmziegel herstellten, Gräser zusammenbanden, um daraus Hütten zu bauen. Stroh hat also eine lange Tradition. Das liegt sicher zum einen an der nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit von einjährigen Pflanzenfasern. Stroh ist leicht zu beschaffen, zu verarbeiten und vergleichsweise kostengünstig. Stroh verfügt aber auch über spezifische Materialeigenschaften, welche es zu einer besonders interessanten Alternative zu etablierten gipsbasierten Ausbaumaterialien macht. Besonders punkten kann aber der sehr positive ökologische Fußabdruck des Strohs. Dadurch werden zB. Strohbauplatten nicht nur zu einer preiswerten Alternative, sondern fördern die notwendige CO2-Reduzierung bei der Herstellung von Gebäuden in einem hohen Maße.

 

SQ: Darauf kommen wir noch. Aber wie sind Sie denn überhaupt zum Stroh gekommen. Wann haben Sie das Potenzial für die Baustoffindustrie erkannt?

 

Marcel Burgstaller: Das liegt schon ein paar Jahre zurück. Ich habe damals in einer mittelständischen Zimmerei gearbeitet. Eines Tages kam mein Chef zu mir und erteilte mir den Auftrag, das ökologischste Haus zu bauen, was zu diesem Zeitpunkt möglich war. Eine herausfordernde Aufgabe und echte Pionierarbeit. 2006 war das Thema Nachhaltigkeit im Immobiliensektor noch nicht so verbreitet wie heute.

 

istraw hilft dabei, Gebäude klimaneutral zu bauen

 

Ich bin bei meinen Recherchen dann relativ schnell auf Stroh als vollwertigen und ökologischen Baustoff gestoßen. Erste Berührungen gab es mit dem Bau von Strohballen und schnell entdeckte ich dann auch Strohbauplatten für den Innenausbau. Dazu muss man wissen, Strohplatten waren in den 1970er-Jahren schon mal sehr verbreitet, vor allem in England. Der rasche Siegeszug der Gipskartonplatten hat sie dann aber in den Hintergrund gedrängt.

Marcel Burgstaller Gründer und CEO

„Wir machen aus Stroh einen modernen und zukunftsfähigen Baustoff.“

Gründer und CEO

Marcel Burgstaller

Wir sorgen mit istraw jetzt für die Renaissance der Strohbauplatte und lassen sie wieder aufleben. Im Ernst, die Zeit ist reif für Materialien, die modernen Wohnungsbau ermöglichen und gleichzeitig den Anspruch an den Klimaschutz berücksichtigen. Deshalb setzten wir auch nicht einfach wieder da an, wo man vor Jahrzehnten aufgehört hat, sondern wir transformieren die Strohbauplatte in die Gegenwart. Das heißt, wir entwickeln Eigenschaften, Beschaffenheit und Herstellungsprozesse weiter und machen aus Stroh einen modernen, zukunftsfähigen Baustoff.

Wer ist Marcel Burgstaller?

Marcel Burgstaller ist Gründer, Unternehmer und versteht sich vor allem als Innovator und Ermöglicher. Dafür kann er auf eine solide Ausbildung zurückgreifen, die nach der Schulzeit mit einer Lehre zum Stahlbetonbauer begann und mit der Weiterbildung zum Bautechniker fortgesetzt wurde.

 

Die Position als Assistent der Geschäftsleitung in einer mittelständischen Zimmerei in Österreich brachte ihn zum Thema ökologischer und nachhaltiger Hausbau. Doch bevor es richtig losging, absolvierte er ein Studium zum Innovationsmanagement, das er mit einem Master abschloss.

 

2012 entschied er sich für das eigene Unternehmen und gründete ein Planungsbüro, aus dem 2021 die heutige istraw GmbH & Co. KG hervorging. Marcel Burgstaller ist ein gefragter Experte und Vortragsredner zum nachhaltigen Bau von Gebäuden. 

 

Hier geht es zum vollständigen Profil auf business-leaders.net.

SQ: Woher kommt das ganze Stroh?

 

Marcel Burgstaller: Das gibt es überhaupt keinen Mangel und wir stehen mit unserem Rohstoff auch nicht in Konkurrenz zu anderen Anwendungsmöglichkeiten. Für unsere Strohbauplatten können wir eine Vielzahl verschiedener einjähriger Faserpflanzen verwenden, die den Herstellungsprozess und auch die Materialeigenschaften nicht beeinträchtigen. Unsere Technologie ist da sehr flexibel.

 

Marcel Burgstaller hat Klimaschutz und Biodiversität im Blick

 

Aktuell bestehen unsere Platten aus Weizenstroh. Davon werden in Deutschland im Durchschnitt 21 Millionen Tonnen pro Jahr angebaut und geerntet. Die werden entweder als Einstreu genutzt, bleiben auf den Höfen für die Kälbermast oder werden als Dünger wieder untergepflügt. Für rund 7 bis 9 Millionen Tonnen gibt es allerdings keine spezifische Verwendung, sie sind also frei verfügbar. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie umsonst sind. Stroh ist kein Abfall, hat immer einen Wert bzw. auch einen Preis. Die nicht benötigten Mengen werden teilweise in Pellets gepresst, zu Kraftstoff verarbeitet oder einfach verbrannt. Oder sie kommen in unseren Strohbauplatten zum Einsatz.

 

SQ: Sie sprachen bereits den Carbonfootprint an. Warum hat Stroh eine so überzeugende CO2-Bilanz? 

 

Marcel Burgstaller: Ganz einfach. Stroh ist nicht nur klimaneutral, sondern klimanegativ. Das bedeutet, es verursacht nicht nur keine klimaschädlichen Emissionen, sondern es bindet CO2, wie Holz, dauerhaft. Damit ist es den meisten am Bau verwendeten Materialien deutlich überlegen. Außerdem können wir Fasern verwenden, die zumindest indirekt einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Auch das hat mit Klimaschutz zu tun.

 

Ich will das gerne erläutern. Nehmen wir Paludikulturen, also Sumpfpflanzen, die inzwischen wieder zunehmend zum Einsatz kommen, und zwar bei der Wiedervernässung von Mooren. In den vergangenen Jahrhunderten wurden diese Flächen oftmals für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt. Inzwischen wissen wir, dass das falsch war und Moore heute einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Deshalb werden sie wieder bewässert und schaffen damit neuen Lebensraum. Ein zusätzlicher Effekt ist die hohe Biodiversität von Mooren, unter anderem eben auch durch die Paludikulturen. Die bieten Insekten und Vögeln vom Frühjahr bis zum Herbst einen idealen Lebensraum. Im Winter können wir dann die vertrockneten Pflanzen ernten, ohne zerstörerisch in die Natur eingreifen zu müssen.

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SQ: Jetzt haben wir eine Menge von den Vorteilen des Materials gehört. Wo werden die Strohplatten denn hauptsächlich eingesetzt? 

 

Marcel Burgstaller: In nahezu allen Facetten des Trockenbaus. Es spielt keine Rolle, ob ein Bürogebäude oder eine Wohnanlage ausgebaut werden sollen. Strohplatten lassen sich an die unterschiedlichsten Gegebenheiten vor Ort anpassen und sind für nahezu jede Anwendung verfügbar. Die entscheidende Frage ist, welche ökologischen Mindeststandards der Bauherr einhalten will. Das spielt schon jetzt bei der Finanzierung eine entscheidende Rolle, wird in Zukunft aber noch deutlich wichtiger werden.

Marcel Burgstaller Gründer und CEO

„Immobilienentwickler und Wohnungsbaugesellschaften müssen heute grün bauen, damit sie für Investoren und Käufer interessant bleiben“.

Gründer und CEO

Marcel Burgstaller

Der Grund liegt an den politischen Rahmenbedingungen, die sich in den vergangenen zwei bis drei Jahren stark verändert haben. Ich nenne nur den Green Deal der EU und die EU-Taxonomie als Beispiele. Zudem hat sich das gesellschaftliche Klima gewandelt, Nachhaltigkeit wird heute stärker eingefordert. Das bedeutet für Immobilienentwickler und Wohnungsbaugesellschaften, dass sie grün bauen müssen, um für Investoren und Käufer interessant zu bleiben. Wer heute eine günstige Finanzierung für einen Wohnungskomplex erhalten möchte, der muss ökologische Mindeststandards einhalten, die häufig mit konventionellen Baumaterialien nicht zu erreichen sind. Dann kommen wir ins Spiel, denn Strohbauplatten sind in der Immobilienbranche längst ein großes Thema.

 

SQ: Warum spielt der Innenausbau für den grünen Bau eine so große Rolle?

 

Marcel Burgstaller: Weil er am einfachsten zu verbessern ist. Bei der Konstruktion eines Hauses können wir nicht immer alle Materialien sofort ersetzen. Wir werden auch Zukunft Häuser mit Stahlbeton bauen müssen. Man könnte natürlich manchmal auch Holz nehmen. Aber das erfordert dann eine ganze andere Konstruktion und Bauweise und bringt dann neue Probleme mit sich. Stahlbeton hat für die Konstruktion Vorteile, die nicht so einfach zu substituieren sind. Ein anderes Beispiel ist Glas, dafür haben wir noch keine Alternative. Und das sieht eben beim Innenausbau anders aus.

 

istraw setzt auf dezentrale Strukturen, um den Impact für die Umwelt zu erhöhen

 

Gerade weil wir bestimmte Materialien, die teilweise noch eine schlechte CO2-Bilanz aufweisen, ersetzen müssen, sind besonders Baustoffe von Interesse, die CO2-negativ sind. Und da kann die Strohplatte ihren Vorteil voll ausspielen. Hervorragende Materialeigenschaften, preiswert, verfügbar und eben auch klimafreundlich. Strohbauplatten helfen also dabei, ein Gebäude insgesamt nachhaltiger zu bauen. Noch dominiert aber der Gipskarton. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland ca. 281 Millionen m² gipsbasierte Platten verbaut. Im Neubau und in der Sanierung schlummert also ein sehr großes CO2-Einsparpotenzial. Das wollen wir mit istraw heben.

Was macht die istraw GmbH & Co. KG?

Wir haben nur Stroh im Kopf und sind stolz darauf, beschreibt Inhaber Marcel Burgstaller in wenigen Worten sein Unternehmen istraw.

 

Tatsächlich dominiert Stroh das Geschäftsmodell und das Tagesgeschäft. Als Hersteller und Anbieter von Strohbauplatten und Stroheinblasdämmungen gehört istraw zu den innovativsten Unternehmen am Markt und wurde 2022 mit dem Vonovia Innovationspreis ausgezeichnet.

 

Ebenfalls zum Angebot gehören Dämmstoffe aus Stroh und in der Entwicklung befindliche stabile Pressspanplatten, die beispielsweise im Möbelbau eingesetzt werden können. Einzigartig ist auch das istraw-Lizenzmodell, mit dem dezentrale Produktionskapazitäten aufgebaut werden. 

 

Hier geht es zum vollständigen Unternehmensprofil auf SQUAREVEST.

SQ: Dafür setzen Sie auch auf eine dezentrale Herstellung.

 

Marcel Burgstaller: Ganz genau. Unser Ziel ist es, den größtmöglichen Impact für das Klima zu liefern. Deshalb versuchen wir den Energieaufwand insgesamt so gering wie möglich zu halten. Herstellung und Transport benötigen nun mal Energie. Kommt diese dann auch noch aus fossilen Quellen, verschlechtert sich die CO2-Bilanz. Deshalb dezentralisieren wir zukünftig die ohnehin schon sehr energieeffiziente Produktion und reduzieren damit weitere klimaschädliche Emissionen. Wir haben dafür ein Lizenzmodell entwickelt und bauen derzeit im gesamten deutschsprachigen Raum ein Netzwerk unabhängiger Produzenten auf. Das können Landwirte sein, die ihr überschüssiges Stroh vermarkten wollen, das können aber auch Bauunternehmen seine, die ihre Strohbauplatten direkt vor Ort auf der Baustelle produzieren wollen.

Marcel Burgstaller Gründer und CEO

„Mein Ziel ist es, der Strohman(n)ager der Baubranche zu werden.“

Gründer und CEO

Marcel Burgstaller

SQ: Strohbauplatten sind also eine Art Gemeinschaftsprojekt?

 

Marcel Burgstaller: So sehe ich das. Mit istraw schaffe ich den Rahmen dafür. Meine Aufgabe ist es, das Produkt weiterzuentwickeln und die Kapazitäten zu schaffen, die wir am Markt benötigen. Wenn heute ein Bauträger zu mir kommt und große Mengen Strohbauplatten für die nächsten Baufortschritte ordert, dann können wir das garantiert leisten. Mit diesem Geschäftsmodell sind wir in der Lage, die Innovationsgeschwindigkeit hochzuhalten, den Impact aufs Klima zu minimieren und den Markt jederzeit zu beliefern. Dafür braucht es Steuerung und die liefern wir mit istraw. Mein Ziel ist es, meinem Ruf als der Strohman(n)ager der Baubranche gerecht zu werden.

2022 erhielt Marcel Burgstaller unter anderem für die istraw Strohbauplatten den Vonovia Innovationspreis. © vonovia
2022 erhielt Marcel Burgstaller unter anderem für die istraw Strohbauplatten den Vonovia Innovationspreis. © vonovia

Thomas Feldhaus

Thomas Feldhaus

Chefredakteur

Wirtschaftsjournalist mit Faible für Unternehmensverantwortung und Leidenschaft für Radsport.

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